Traditionelle Filzkunst
Wir wurden eingeladen, Fotos und Videos in einer Handarbeitsgemeinschaft für Frauen zu machen. Sie stellten einen der kompliziertesten Filzutensilien her, die es gibt: dem Shyrdak. Das ist ein Teppich aus Schafwolle. Er ist zu 100 % handgefertigt. Jeder Faden, jeder Nadelstich, jedes Muster – das können wir bezeugen.
Der Prozess beginnt damit, dass man die Wolle von den Schafzüchtern für 60 Kirgisische Som pro Kilo (etwa 0,60 Euro/kg) einkauft. Dann wird die Wolle in einer Maschine, aus den Zeiten der ehemaligen Sowjetunion, gepresst. Drei Wollschichten liegen dabei übereinander.
Mit milchigem Seifenwasser bedeckt, wird die Wolle in eine noch geräuschvollere und ältere Pressmaschine gegeben. Nach etwa 15-30 Minuten wird die Wolle zu Filz. Da das Seifenwasser vorher nicht ausgewaschen wurde, wird der Filz nach dem Pressen gewaschen, was sich auf jeden Fall lohnt :-).
Das Wasser, das durch den Filz läuft kommt dunkelbraun gefärbt unten wieder heraus. Die Reinigung wird so lange wiederholt, bis das Wasser endlich klar ist. Vor dem Färben und Nähen muss der Filzrohling mindestens 5 Tage trocknen.
6-7 Filzstücke werden pro Tag mit den veralteten Maschinen gepresst. Jedes dieser Stücke wird für 2500 Kirgisische Som (25 Euro) verkauft. Die getrockneten Filzstücke werden nun von den Frauen bearbeitet: färben, zuschneiden und nähen. Es dauert etwa drei Monate, bis ein mittelgroßer, traditioneller, kirgisischer Shyrdak fertig ist.
Viele Frauen arbeiten in diesen 3 Monaten unzählige Stunden an diesem 100%igen Naturprodukt. Das durchschnittliche Einkommen liegt bei 100-250 USD pro Monat. Am Ende kostet der Teppich je nach Größe etwa 200-700 USD. Das ist zumindest der Preis, den die Einheimischen dafür bezahlen. Einige Unternehmen exportieren die Teppiche nach Europa oder Amerika und verkaufen sie für fast den zehnfachen Preis.
Aus dem Filz stellen die Frauen auch Schuhe, Kissen, Decken, Hüte und viele andere kleine Souvenirs her. Die Frauen sind stolz darauf, dadurch ihre Kultur zu bewahren und etwas Schönes und Nützliches herstellen zu können. Selbst alte Frauen konnten sich etwas dazuverdienen und Teil dieser freundlichen Gemeinschaft von Frauen sein.
Genau wie der Adlerjäger waren die Frauen glücklich und stolz, uns ihre Arbeit und ihre Produkte zu zeigen.
Eines Tages waren wir zum Mittagessen beim Weltmeister im Jurtenbau eingeladen. Die junge Familie lebte einfach und seine schüchterne Frau gesellte sich zum Essen zu uns. Sie hatte das teuerste und beste Fleisch zubereitet.
Wir probierten das erste Mal Pferdefleisch und Kaninchen. Vielleicht hatten wir schon einmal Kaninchen gegessen, aber ganz sicher kein Pferdefleisch. Normalerweise wurde so etwas nur zu besonderen Anlässen serviert. Wir konnten uns also glücklich schätzen, es probieren zu dürfen. Die Farbe von Pferdefleisch ist dunkelrot, schmeckt wie Rind oder Wild, aber süsslicher. Kaninchen schmeckt eher wie Geflügel. Danach zeigte uns der Weltmeister wie man eine Jurte aufbaut.
Vor dem Aufbau erläuterte der Champion die einzelnen Schritte zur Herstellung einer Jurte: Das Holz wird erhitzt und getrocknet, um die Form zu erhalten. Das Holz wird zusammengesteckt und verbunden. Filz wird darüber und drumherum gelegt.
Die Wolle für den Filz stammt von 100 Schafen und wird verwendet, um die Jurte zu bedecken, damit es innen schön warm bleibt. Bunte Decken darüber machen die Jurte schöner und gemütlich.
Mit seinem Team ist er Weltrekordhalter im Aufbauen einer Jurte in nur 7 Minuten und 43 Sekunden. Unglaublich, nachdem wir nun gesehen hatten, wie kompliziert das war.
Der Jurtenmeister lebte in einem Dorf, in dem jeder Jurten herstellt. Jedes Jahr werden etwa 250 Jurten gebaut und entweder an Einheimische verkauft oder in die ganze Welt exportiert.
Als wir noch beim Tee zusammen saßen, wechselte der Jurtenmeister das Thema und erzählte uns etwas darüber, wie die Kirgisen Krebs im Stadium 2 behandeln. Sie stellen ein Getränk her, das aus einer giftigen Blume und ein wenig reinem Alkohol besteht. Dieses Getränk muss 7 Tage lang ziehen, bevor es fertig ist. Danach trinkt der Patient am ersten Tag einen Tropfen und steigert die Tropfenmenge 20 Tage lang. Nach 20 Tagen geht es auf dem gleichen Weg zurück bis zu einem Tropfen. Dann ist die Behandlung zu Ende. Sehr interessant, jedoch bin ich mir unsicher, ob ich es ausprobieren würde.